(FIFA.com) Samstag 26. Juni 2010
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Deutschland gegen England – das Achtelfinal-Duell der beiden Rivalen bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Südafrika 2010™ gehört zu den großen Klassikern im Weltfussball. Kurz vor dem Aufeinandertreffen der beiden Teams am Sonntag (16:00 Uhr) in Bloemfontein traf sich FIFA.com mit dem deutschen Nationalspieler Lukas Podolski zum Exklusiv-Interview. "Wir brauchen uns vor ihnen nicht verstecken", so der 25-Jährige, der sich bereits auf die Partie freut: "Unser Ziel muss es sein, weiter zu kommen."
Lukas Podolski, nach dem Sieg gegen Ghana und dem Einzug ins WM-Achtelfinale: Wie ist die Stimmung im Lager der deutschen Mannschaft?
Sehr gut. Natürlich hatten wir vor dem Spiel einen gewissen Druck. Wir wussten, dass wir mit einer Niederlage ausscheiden würden. Das wäre natürlich nicht so schön gewesen, zumal noch nie eine deutsche Mannschaft in der Vorrunde ausgeschieden ist. Umso wichtiger war es, dass wir gewonnen haben. Jetzt freuen wir uns auf die K.o.-Spiele, die eigentlich eine WM ausmachen.
Die deutsche Mannschaft ist die jüngste bei einer WM seit 76 Jahren. Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Teams in den bisherigen drei Spielen?
Wir haben insgesamt sehr gut Fussball gespielt. Gegen Ghana war der Druck etwas größer, da haben wir vielleicht nicht so zwingend nach vorne gespielt wie gegen Australien oder in der zweiten Halbzeit gegen Serbien. Aber wir haben uns weiterentwickelt, und wir haben viele gute, junge Spieler dabei, das ist vielleicht ein Vorteil. Man sieht am Beispiel von Italien oder Frankreich, dass Alter und Erfahrung nicht immer gleich Erfolg bedeuten. Ich denke, dass wir auch im Hinblick auf die nächsten Turniere eine gute Mannschaft haben.
Im Achtelfinale geht es am Sonntag gegen England. Was erwartet die DFB-Auswahl?
Wir dürfen keinesfalls den Fehler machen, sie zu unterschätzen, bloß weil sie in den Gruppenspielen Probleme hatten. Vielleicht können sie gerade in den K.o.-Spielen über sich hinauswachsen und sagen dann: 'Jetzt beginnt unser Turnier'. Da müssen wir schon aufpassen. Wir werden uns ab sofort auf sie einstellen und in den nächsten Tagen gut vorbereiten. Wir brauchen uns vor ihnen nicht verstecken und keine Angst zu haben. Respekt schon, aber keine Angst.
Kommt der deutschen Mannschaft die Spielweise der Engländer möglicherweise entgegen?
Ich weiß es nicht. Es stehen ja jetzt die Achtel-, Viertel- und Halbfinalspiele an, da kann man nicht sagen: 'Uns reicht ein Unentschieden', oder 'wir müssen zwei Tore machen, um weiter zu kommen'. Jede Mannschaft weiß: sie muss etwas machen, sie muss agieren, deshalb wird das auch eine andere Partie als die Gruppenspiele.
In der Vergangenheit gab es immer heiße Duelle zwischen Deutschland und England. Welche Erinnerungen haben Sie an frühere Duelle bei Welt- oder Europameisterschaften?
Man hat das immer wieder im Fernsehen mitbekommen, aber so richtig kann ich mich nicht daran erinnern. Natürlich ist das ein Klassiker, aber ich denke, das sollte man ausblenden. Unser Ziel muss es sein, weiter zu kommen.
Auf welche Spieler der Engländer müssen Sie besonders achten?
Wir werden uns die Videos der letzten Spiele anschauen, dort Stärken und Schwächen analysieren und uns entsprechend darauf vorbereiten. Klar muss man vorne auf Wayne Rooney aufpassen, im Mittelfeld haben sie Steven Gerrard und Frank Lampard. Das sind gute Spieler, auf die müssen wir schon aufpassen.
Sie selbst sind zwar erst 25 Jahre alt, gehören mit 76 Länderspielen aber schon zu den erfahrensten Akteuren in der Mannschaft. Werden Sie von den jungen Spielern schon mal um Rat gefragt?
Wenn ein junger Spieler auf mich zukommt und eine Frage hat, gebe ich gerne Antworten. Das ist mein viertes großes Turnier, da kann ich auch mal einen Tipp geben. Insgesamt gesehen sind wir eine junge, gute Mannschaft, wir haben eine gute Atmosphäre, und wir helfen uns da gegenseitig.
Wie haben Sie das WM-Turnier bisher wahrgenommen?
Wenn man die Stadien sieht und die Atmosphäre, dann ist das schon toll. Natürlich ist es schade, dass die Südafrikaner draußen sind, hoffentlich leidet die Stimmung nicht allzu sehr darunter. Unsere Spiele waren immer gut besucht, es macht einfach Spaß. Auch unser Mannschaftsquartier ist sehr gut. Wir hoffen, dass wir noch lange hier bleiben.
Wie vertreiben Sie sich Ihre Zeit zwischen Training, Behandlung, Medienterminen und den Spielen?
Ich verbringe viel Zeit im Internet, kommuniziere mit meiner Familie, aber auch viel mit den Fans über meine Facebook-Seite. Dort versuche ich, immer mal etwas rein zu schreiben oder Fotos einzustellen, die ich vor dem Stadion oder an anderen Orten aufgenommen habe. Außerdem habe ich seit dem WM-Start eine neue Internetseite, diese versuche ich regelmäßig zu aktualisieren.
(FIFA.com) Freitag 25. Juni 2010
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Einen Oliver Kahn vorzustellen ist nicht schwer. Allein die Erwähnung seines Namens löst beim Gegenüber mindestens ein respektvolles Kopfnicken aus. Der deutsche Vize-Weltmeister von 2002 steht wie kein anderer Sportler für das Motto "Niemals aufgeben".
21 Jahre stand der Torwart-Titan im Profi-Fussball zwischen den Pfosten und holte dabei beinahe jeden möglichen Titel. Er wurde Europameister, Deutscher Meister, Pokalsieger, UEFA Champions League-Sieger, Weltpokalsieger... Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Zahlreiche persönliche Auszeichnungen wie Welttorhüter des Jahres 1999, 2001 und 2002 oder Europas Torhüter des Jahres 1999, 2000, 2001 und 2002 machen seinen hohen Stellenwert im weltweiten Fussballgeschehen deutlich.
Einzig bei FIFA Weltmeisterschaften blieb ihm der ganz große Durchbruch versagt. 2002 musste sich Kahn mit der deutschen Nationalelf erst im Finale Brasilien mit 0:2 geschlagen geben. Für den ehrgeizigen Schlussmann eine Riesenenttäuschung. Darüber konnte ihn auch die Auszeichnungen zum besten Spieler und Torhüter des Turniers nicht hinwegtrösten.
War der 49-malige DFB-Kapitän noch vor vier Jahren als Spieler bei der WM im Einsatz, hat er inzwischen die Fronten gewechselt und ist als TV-Experte vor Ort in Südafrika. Für FIFA.com nahm sich der Ausnahme-Athlet Zeit für ein exklusives Interview, in dem er unter anderem zur WM an sich, den Leistungen der Deutschen sowie den Torhütern Stellung bezog.
Herr Kahn, die Gruppenphase ist abgeschlossen. Wie fällt Ihr Zwischenfazit bis zu diesem Zeitpunkt aus?
Die ersten Spiele waren enttäuschend, was normal ist. Sie waren geprägt von Einstellungen wie "Ich möchte ins Turnier reinkommen als Mannschaft", "Ich möchte nicht verlieren" oder "Wo stehe ich als Mannschaft". Im zweiten und dritten Spiel wurde es dann besser - gerade im dritten Spiel, wenn man alles von sich werfen muss und keine taktischen Zwänge mehr hat, weil es um das direkte Weiterkommen geht und man alles auf eine Karte setzen muss. Dann sind die Spiele einfach interessanter. Es gibt einige Überraschungen, aber auch das halte ich normal für eine WM, die nicht in Europa stattfindet. Die Franzosen und Italiener sind raus, dazu präsentieren sich die Südamerikaner sehr gut, die Europäer spielen eher mittelmäßig und die Afrikaner sind leider fast alle weg.
Die deutsche Nationalelf ist als Gruppensieger ins Achtelfinale eingezogen. Wie zufrieden sind Sie mit den Leistungen der DFB-Elf?
Im ersten Spiel sind sie gegen die Australier hervorragend aufgetreten. So habe ich eigentlich selten eine deutsche Mannschaft spielen sehen. Überhaupt nicht wie die typische Deutschen, sondern eher wie die Spanier - klasse Kombinationsfussball. Im zweiten Spiel hat sich dann schon gezeigt, dass wir Probleme bekommen, wenn wir auf eine abgezockte Mannschaft treffen. Obwohl wir auch da nicht hätten verlieren müssen. Selbst mit zehn Mann haben wir immer noch genug Chancen herausgespielt. Gegen die Ghanaer hat man dann gesehen, was es heißt, unter höchstem Druck Fussball zu spielen - wenn man das Versagen, das Ausscheiden vor Augen hat. In einer solcher Situation wäre ein Spieler wie Michael Ballack natürlich sehr gut, nicht unbedingt fussballerisch, sondern eher als Gallionsfigur und Leader auf dem Platz.
Nun kommt es zum Klassiker gegen England. Was kann man von diesem Spiel erwarten?
Ein Elfmeterschießen natürlich [lacht], was soll man sonst erwarten? Jetzt kommt es zu der Situation, dass die teilweise noch sehr unerfahrene deutsche Mannschaft gegen eine sehr abgezockte, sehr erfahrene englische Mannschaft spielen muss, die vor der WM für mich einer der Favoriten war. Capello, der ein sehr erfahrener Trainer ist, hat lauter Top-Spieler, wie John Terry, Wayne Rooney, Frank Lampard, Steven Gerrard in seinen Reihen. Man muss schauen, ob die jungen Wilden schon soweit sind, sich gegen England durchzusetzen. Wenn sie es schaffen, bis ins Elfmeterschießen zu kommen, dann haben sie große Möglichkeiten, in die nächste Runde einzuziehen.
Haben Sie eigene Erinnerungen an England?
Zunächst ist da natürlich das EM-Halbfinale 1996 zu nennen, das wir auch im Elfmeterschießen für uns entscheiden konnten. Dann habe ich das letzte Spiel im Wembley-Stadion erleben dürfen. Anschließend wurde es abgerissen. Nicht zu vergessen ist das schmachvolle 1:5 in München, als wir gegen England sang- und klanglos verloren haben. Wenn man sich erinnert, dann fällt einem natürlich das WM-Finale 1966 mit dem berühmten Tor ein oder das WM-Halbfinale 1990, als wir wieder im Elfmeterschießen die Oberhand behielten.
Wer ist für Sie der beste Torhüter bisher in diesem Turnier?
Bisher komme ich da noch zu keiner Meinung. Gianluigi Buffon, meiner Meinung nach der beste Torhüter, war verletzt und hat so gut wie nicht gespielt. Iker Casillas [Spanien], Sergio Romero [Argentinien] oder auch Julio Cesar [Brasilien] sind auch noch nicht richtig gefordert worden. Der nigerianische Torhüter war sehr gut, aber das war nicht nachhaltig. Momentan gefällt mir der japanische Torhüter sehr gut. Ein außergewöhnlicher, verrückter und sehr extrovertierter Schlussmann.
Welche Rolle spielt der Torhüter im Team?
Der Torwart ist derjenige, der den Unterschied ausmachen kann. Ohne einen großartigen Torhüter kann man keine großen Titel gewinnen. Das ist eigentlich nicht möglich, außer man hat wirklich eine so hervorragende Mannschaft, dass sie einen schwächeren Torhüter kompensieren kann. Im Grunde ist der Keeper immer das Zünglein an der Waage - positiv wie negativ.
Haben Sie Erinnerungen an einen Torhüter bei einer WM-Endrunde?
Richtig erinnern kann ich mich an die Weltmeisterschaften 1982 und 1986. Damals war Toni Schumacher sicherlich ein sehr guter deutscher Torhüter, der leider auch das Pech hatte, im Finale einen Fehler zu machen, der gnadenlos bestraft worden ist. Buffon war überragend bei der letzten WM, Casillas bei der letzten EM. Die Brasilianer hatten 1994 mit Claudio Taffarell einen tollen Torhüter, auch Fabien Barthez [Frankreich] 1998 ist zu nennen.
Fussball ist auch Kopfsache - würden Sie dem zustimmen?
Ohne einen starken Kopf kann man kein erfolgreicher Sportler sein. Da kann man noch so viel trainieren wie man will. Wenn der Kopf nicht mitspielt - und die Gedanken nicht stark sind - wenn man es nicht versteht, die negativen Gedanken zu kontrollieren, die immer da sind, dann kann man gar nichts dagegen tun. Wenn man damit nicht umgehen, es nicht in etwas Positives umwandeln kann und wenn man mentale Spiel nicht beherrscht, dann wird es schwierig.
Sind Sie abergläubig?
Ich habe es mir von Anfang an abgewöhnt, irgendwelche Dinge für irgendwelche Spiele heranzuziehen. Aberglaube ist eine Art von mentaler Schwäche. Wenn ich in ein Stadion gehe und sage, 'da habe ich noch nie gewonnen', dann brauche ich nicht auflaufen.